Bouldern olympisch – und das Fazit?

Debüt geglückt – nur leider nicht für die Deutschen. Erstmals fand bei den olympischen Spielen ein überaus spannender Wettbewerb im Sportklettern statt. Strahlender und auch sehr überraschender Gewinner des Kombi-Wettkampfs war am Ende ein 18-jähriger Nachwuchskletterer aus Spanien. Zwei Topfavoriten scheiterten knapp. Und die beiden Deutschen konnten sich leider nicht bis ins Finale vorkämpfen. Gemeinsam mit dem Trainer des deutschen Kletter-Nationalteams Urs Stöcker ziehen wir eine Olympia-Bilanz.

Ergebnisse Frauen

  1. Janja Garnbret 🇸🇮
  2. Miho Nonaka 🇯🇵
  3. Akiyo Noguchi 🇯🇵

Ergebnisse Männer

  1. Alberto Gines Lopez 🇪🇸
  2. Nathaniel Coleman 🇺🇸
  3. Jakob Schubert 🇦🇹
Es ist vollbracht. Die ersten Sportkletter-Wettbewerbe in der Geschichte der Olympischen Spiele sind vorbei. 20 männliche und 20 weibliche Sportler traten an, um sich in einem Kombi-Wettbewerb aus Seilklettern, Bouldern und Speed-Climbing, der extra für Olympia geschaffen wurde, zu messen.

Während sich für den Frauen-Wettbewerb keine Sportlerin aus Deutschland qualifizieren konnte, traten im Teilnehmerfeld der Männer gleich zwei Deutsche auf: Alexander Megos und Jan Hojer. Beide eher auf Bouldern und Seilklettern spezialisiert – weniger auf die Speed-Disziplin.

Acht Sportler schafften es nach dem Qualifikationswettbewerb am 3. August ins Finale. Bedauerlicherweise scheiterte Alexander Megos nur ganz knapp und belegte den „undankbaren“ neunten Platzt Jan Hojer platzierte sich drei Ränge dahinter, auf dem zwölften Rang. Die Enttäuschung war bei beiden Sportlern natürlich groß.

Trainer Urs Stöcker kann die Enttäuschung seiner Schützlinge verstehen:

Beide haben alles gegeben. Wir waren gut vorbereitet und haben uns schon erhofft, um eine Medaille mitspielen zu können. Dass wir dann nicht mal ins Finale gekommen sind, war schon sehr bitter.
Urs Stöcker

Nationaltrainer, Deutscher Alpenverein

Am Ende entscheiden Nuancen…

Stolz ist der Nationaltrainer dennoch auf die Leistung seiner Sportler, wobei er auch kritische Worte findet: „Alex ist in seiner Paradedisziplin, dem Lead, unten raus nicht optimal geklettert. Dadurch haben ihm oben raus die Körner gefehlt. Da waren wir schon nicht sehr zufrieden. Am Ende entscheiden bei so einem Wettbewerb Nuancen. Da ist ja nicht nur uns zum Verhängnis geworden, sondern auch Topfavoriten wie Tomoa Naraski. Da sind Kleinigkeiten ausschlaggebend, ob man am Ende erster oder zehnter wird. Das ist eine krasse Eigenart unseres Sports, die es aber auch extrem spannend macht.“

Im Finale siegte bei den Männern letztlich überraschend das erst 18-Jährige Nachwuchstalent Alberto Gines Lopez aus Spanien. Während der Younster im Bouldern eher mäßig abschnitt (Rang 7), brillierte er jedoch im Speed-Klettern (Rang 1) und holte sich mit Rang vier im Lead schließlich den Gesamtsieg. Rang zwei im Gesamtwettbewerb ging an den Amerikaner Nathaniel Coleman, Platz drei an den österreichischen Altmeister Jakob Schubert.

Das Nachsehen hatte am Ende der Japaner Tomoa Narasaki, den viele im Vorfeld ganz oben auf dem Treppchen gesehen hatten und der am Ende „nur“ Vierter wurde. Auch der tschechische Topfavorit Adam Ondra musste seine Hoffnung auf eine Medaille begraben – er landete auf dem sechsten Rang.

Die Routen im Lead waren deutlich schwieriger als bei einem Weltcup. Sie waren bereits unten sehr tricky und man konnte schon vom Start weg sehr viele Fehler machen. Dieses Level hat mich schon überrascht. Aber wenn man der Beste sein will, muss man auch damit zurande kommen.

Weltrekord bei den Frauen

Bei den Frauen setzte sich die Topfavoritin Janja Garnbret aus Slowenien in der Gesamtwertung durch. Miho Nonaka und Akyio Noguchi, beide aus Japan, sicherten sich die Silber- und die Bronzemedaille. Die Spezialistin im Speedklettern Aleksandra Miroslaw stellt im Finale einen Weltrekord auf. In 6,84 Sekunden jagte die Polin die Kletterwand hoch und unterbot damit die amtierende Weltmeisterin im Speed-Climbing, Julija Kaplina, um zwölf Hundertstel. Am Ende wurde Aleksandra Miroslaw in der Gesamtwertung Vierte.

Über den Schwierigkeitsgrad der geschraubten Routen, speziell im Lead, wurde in Tokio intern viel diskutiert. Urs Stöcker dazu: „Die Routen im Lead waren deutlich schwieriger als bei einem Weltcup. Sie waren bereits unten sehr tricky und man konnte schon vom Start weg sehr viele Fehler machen. Dieses Level hat mich schon überrascht. Aber wenn man der Beste sein will, muss man auch damit zurande kommen.“

Trotz der Niederlage seiner Sportler ist Urs Stöcker sehr dankbar, dass er bei Olympia dabei sein konnte: „Das war wirklich eine schöne Zeit mit den Jungs – einschließlich der Vorbereitung. Den olympischen Spirit im Dorf zu erleben, war etwas ganz Besonderes. Trotz Corona und den Einschränkungen war die Stimmung dort sehr freudig und ausgelassen.“ Sein persönliches Highlight: das Abendessen mit Olympiasieger Alexander Zverev. „Solche Erlebnisse werden für immer bleiben“, so Stöcker.

„Viel Glück“-Botschaften im Fenster

Auch wenn die Spiele weitestgehend isoliert von der Öffentlichkeit stattfanden, sei die Euphorie der Japaner dennoch zu spüren gewesen. Urs Stöcker dazu: „Es gab viele Japaner, die außerhalb des Dorfes, an den Ausgängen, auf die Sportler gewartet haben und Fotos und Autogramme wollten. Da war schon viel Begeisterung zu spüren.“ Außerdem seien unzählige Fenster von Wohnungen mit Fahnen und „Viel Glück“-Sprüchen beklebt gewesen.

Auf die Olympischen Spiele in Paris in drei Jahren freue er sich schon sehr und hoffe, wieder mit dabei sein zu dürfen – bestenfalls mit einem deutschen Team aus Sportlern UND Sportlerinnen. Im Gegensatz zum diesjährigen Sportkletter-Wettbewerb, wird Speed-Climbing 2024 separat gewertet und der Kombi-Wettbewerb besteht dann nur noch aus Lead und Bouldern. Eine Entscheidung, die nicht nur die beiden deutschen Sportler sehr begrüßen.

Urs Stöckers Fazit zum Sportkletter-Debüt bei Olympia: „Für uns war das ein Pilotversuch. Gewisse Nationen haben das gut hinbekommen – wir haben noch Luft nach oben. Wir werden einfach die richtigen Schlüsse aus unseren Fehlern lernen und in drei Jahren noch einmal angreifen.“

Bildquellen: Alex Megos – Dimitris Tosidis /IFSC, Urs Stöcker – Marco Kost / DAV, Jan Hojer – Dimitris Tosidis /IFSC